Von Radweg-Rückbau bis Moskau-Reise: Was die Parteien im Leipziger Stadtrat als Erstes vorhaben

In Leipzig kommen die neu gewählten Abgeordneten erstmals im September zusammen – die Pläne für erste parlamentarische Vorstöße im neuen Leipziger Stadtrat stehen aber schon fest.

Die Stadtratswahl 2024 ist gelaufen, von den bisherigen 70 Volksvertreterinnen und Volksvertretern scheiden 33 aus – folglich verabschiedet sich die Hälfte der aktuellen Ratsversammlung nach ihrer letzten Sitzung im August. Den Fraktionen, allen voran der von Bündnis 90/Die Grünen, werden ab September, wenn sich der neue Stadtrat konstituiert, viele neue Gesichter angehören.

Neues Personal bedeutet mitunter auch, dass inhaltlich hier und da nachjustiert wird. Nichtsdestotrotz haben die größeren Parteien (5 Prozent und mehr Stimmen bei der Stadtratswahl am 9. Juni) schon jetzt klare Vorstellungen, was ihre Abgesandten in der neuen Wahlperiode 2024–2029 als erstes angehen sollen – unabhängig davon, ob sich dafür auf Anhieb Mehrheiten finden lassen. Ein Überblick zu den Vorhaben:

CDU: „Radstreifen am Hauptbahnhof muss weg“

Beim Wahlsieger CDU (18,9 Prozent) stehen die ersten Themen, zu denen die Christdemokraten im neuen Stadtrat Anträge stellen wollen, fest. Unter anderem auf der Agenda: die Sicherheits- und Verkehrspolitik. „Wir wollen gemeinsame Posten von Polizei und Stadtordnungsdienst an Kriminalitätsschwerpunkten einrichten“, sagt Andreas Nowak, der Vorsitzende der Leipziger CDU. Ein entsprechendes Pilotprojekt solle in der Eisenbahnstraße auf den Weg gebracht werden. Für Paunsdorf und Grünau wünscht sich die Union eine „verstärkte Streifentätigkeit des Stadtordnungsdienstes“. Das Ordnungsamt müsse „mehr Stadtpolizei und weniger Knöllchenverteilanstalt“ sein, findet der CDU-Chef.

Klar, dass es Nowak und seinen Parteifreunden in der neuen Ratsversammlung auch um das Thema Radwegebau gehen wird – schließlich wurde damit kräftig Wahlkampf betrieben. Die CDU fordert Radwege vor allem für die Ortsteile am Stadtrand, zum Beispiel für Eutritzsch, Wiederitzsch, Kleinzschocher, Knauthain und Rehbach. „Radwegebau geschieht in Leipzig künftig mit der Mehrheit der Bürger, nicht gegen sie“, betont Nowak. „Aus ideologischen Gründen der Verkehrsbehinderung“ angelegte Projekte wie der Radstreifen am Hauptbahnhof müssten „zurückgebaut“ werden.

Linke: „Gratis-Mittagessen für alle Kinder in Kitas und Schulen“

Bei der Partei Die Linke (17,5 Prozent) steht die Wohnungspolitik ganz oben auf der To-do-Liste. „Wir wollen den Anteil des sozialen Wohnungsbaus bei Neubauprojekten in Leipzig auf 50 Prozent festlegen und dazu einen Antrag einbringen. Das ist zur Lösung der Wohnungsfrage für einkommensschwache Haushalte und Familien dringend geboten“, teilt Kay Kamieth, Geschäftsstellenleiter und Sprecher des Linken-Stadtverbandes, mit.

Auch beim Erwerb von Grund und Boden innerhalb des Stadtgebietes schwebt der Partei eine erste Initiative vor. „Wir wollen die Grundstücksspekulation zurückdrängen, die Preise dämpfen und Leipzig durch einen kommunalen Bodenfonds in die Lage versetzen, strategisch eine sinnvolle Flächenakquise durchzuführen“, betont Kamieth. Auf ihren Wahlplakaten hatten sich die Linken der Mittagsversorgung von Kindern angenommen. Und es soll nicht bei Parolen bleiben. „Wir werden im neuen Stadtrat beantragen, allen Kindern, die in Kindertageseinrichtungen und Schulen in der Stadt Leipzig betreut oder beschult werden, ab dem 1. Januar 2025 täglich einen Rechtsanspruch auf ein unentgeltliches, gesundes Mittagessen zu garantieren“, kündigt der Linken-Sprecher an.

AfD: „180-Grad-Wende in der städtischen Asylpolitik“

Die AfD (17,0 Prozent) in Leipzig hält es für notwendig, in der neuem Ratsversammlung eine „180-Grad-Wende in der städtischen Asylpolitik“ zu initiieren. „Konkret heißt das: die Einforderung eines sofortigen Aufnahmestopps für Migranten gegenüber dem Freistaat Sachsen und die schnellstmögliche Durchsetzung einer Arbeitspflicht für Asylbewerber“, sagt Pressesprecher und Stadtrat Christian Kriegel. Weitere wichtige Themen für seine Partei in den ersten Wochen und Monaten der neuen Wahlperiode seien „die Abkehr von der autofeindlichen Verkehrswende“ sowie die Senkungen von Gewerbesteuer und Grundsteuer.

Grüne: „1000 neue bezahlbare Wohnungen pro Jahr“

Auch Bündnis 90/Die Grünen (15,0 Prozent) brennt das Thema Wohnen unter den Nägeln. Josephine Schikora, die Wahlkampfmanagerin des Leipziger Kreisverbandes der Partei, kündigt eine Wohnungsbauoffensive an, um die Preisspirale bei den Mieten zu stoppen. „Wir machen uns dafür stark, dass Leipzig einen Wohnungsbaufonds aufsetzt, um Wirtschaftlichkeitslücken im Neubau zu schließen und dauerhaft bezahlbare Mieten zu ermöglichen. Mit der LWB und gemeinnützigen Wohnungsbauträgern sollen konkrete Neubauziele vereinbart werden, damit mindestens 1000 neue bezahlbare Wohnungen pro Jahr geschaffen werden“, sagt Schikora.

Im Kampf gegen den Klimawandel wollen die Bündnisgrünen den Druck auf die Stadtverwaltung verstärken. Sie fordern für 2025/26 ein Sofortprogramm in Höhe von 5 Millionen Euro, „um auf Extremwetterereignisse besser vorbereitet zu sein“, so Schikora. Und auch beim aktuellen Dauerbrenner Schließung von Kindertagesstätten sieht die Partei dringenden Handlungsbedarf. Ihr Ziel: dass Leipzig seinen begrenzten kommunalen Spielraum nutzt, „um rückläufige Kinderzahlen für einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr Qualität in den Kitas zu nutzen“.

SPD: „Die Gehwege sanieren, damit Leipzig besser läuft“

Ähnlich wie Linke und Grüne sieht auch die SPD (12,1 Prozent) die ­Notwendigkeit, einen Stadt­entwicklungsfonds einzurichten, um bezahlbaren Wohnraum in Leipzig zu schaffen. Zudem müsse mehr in den sozialen Wohnungsbau intensiviert werden. Die Leipziger SPD will laut ihrem Sprecher Gerald Eisenblätter den überhitzten Wohnungsmarkt überdies mit einem Zweckentfremdungsverbot und einer Leerstandsabgabe abkühlen.

Ein weiterer erster parlamentarischer Vorstoß der Sozialdemokraten in der neuen Wahlperiode soll dem Sofortprogramm „Könnte besser laufen“ gelten. Dessen Ziel: die stadtweite Sanierung der Gehwege. In der gegenwärtigen Debatte um den Abbau von Kita-Plätzen plädiert die SPD für ein Bekenntnis der Stadt zur wohnortnahen Betreuung. Bestehende Ressourcen in der ­frühkindlichen Bildung müssten erhalten werden. Fördern und ausbauen will die Partei die Kita- und die Schul-Sozialarbeit sowie ­Leipzigs Kinder- und Familienzentren.

BSW: „Jung soll nach Kiew und Moskau reisen“

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW – 9,6 Prozent) befindet sich kommunalpolitisch noch in der Findungsphase. Dem Mietwucher wolle die künftige BSW-Fraktion entgegentreten, sagt Sprecher und Neu-Stadtrat Eric Recke. Der erste Antrag aber solle Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gelten. „Wir wollen, dass er im Rahmen der Initiative ,Mayors for Peace’ nach Kiew und Moskau reist und mit dazu beiträgt, dass dieser Krieg beendet wird.“


Klaus Staeubert 13.06.2024

So viel Geld bekommt ein Leipziger Stadtrat fürs Ehrenamt

Stadträte sind zwar keine Berufspolitiker, bezahlt werden sie trotzdem – in diesemJahr gibt Leipzig für den Parlamentsbetrieb insgesamt 3,7 Millionen Euro aus. Ein Überblick über die Entschädigungen für die Räte.

Die Kommunalwahl hat den bislang größten personellen Umbruch im Leipziger Leipziger Stadtrat ausgelöst. Lediglich 37 der 70 bisherigen Ratsmitglieder sind künftig noch dabei. 33 Frauen und Männer waren am Sonntag neu ins Stadtparlament gewählt worden, das im September zu seiner konstituierenden Sitzung erstmals zusammenkommen wird.

Die meisten der Abgeordneten betreten kommunalpolitisches Neuland, für das sie in den nächsten fünf Jahren viel Zeit aufwenden werden. An regelmäßigen Verpflichtungen stehen im Kalender monatlich ein bis zwei Sitzungstage der Ratsversammlung, die jeweils bis zu sieben Stunden dauern. Dazu kommt die Arbeit in den Fachausschüssen des Stadtrates, in der Fraktion und im Wahlkreis.

Monatliche Pauschale beträgt 612,50 Euro pro Stadtrat

Trotzdem sind die Gewählten keine Berufspolitiker, Stadtrat ist es ein ehrenamtliches Mandat. Vergütet wird es mit einer monatlichen Grundpauschale sowie Sitzungsgeldern, die aus dem kommunalen Haushalt finanziert werden. Diese hat die Stadt in einer sogenannten Entschädigungssatzung für ehrenamtliche Tätige verbindlich geregelt.

Demnach bekommt jedes Ratsmitglied eine feste monatliche Pauschale in Höhe von derzeit 612,50 Euro. Vorsitzende der Fraktionen erhalten zusätzlich noch 183,90 Euro, bei Ausschussvorsitzenden kommen 91,90 Euro obendrauf.

Jeder Sitzungstag des Stadtrates wird darüber hinaus mit 122,60 Euro entschädigt, jede Ausschuss- und Ältestenratssitzung mit 61,30 Euro. Viele Stadträte sind gleich in drei und mehr Fachausschüssen, die mindestens einmal im Monat tagen.

Seit fünf Jahren werden diese Leistungen jedes Jahr zum 1. August automatisch an die Entwicklung des vom Statistischen Landesamtes ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte in Sachsen angepasst. Von 2019 bis heute ist beispielsweise die monatliche Grundpauschale dadurch schon um 68,70 Euro angehoben worden.

CDU will den Anstieg der Ausgaben für Leipziger Stadträte stoppen

Die CDU-Fraktion will diesen Automatismus nun aussetzen und die Entschädigungsleistungen für mindestens fünf Jahre einfrieren. „Kein ostdeutscher Stadtrat belastet die kommunalen Kassen so sehr wie der Leipziger Stadtrat“, heißt es zur Begründung des Antrages, über den voraussichtlich noch das derzeitige Kommunalparlament entscheiden wird.

Für dieses Jahr beläuft sich das Budget der Ehrenamtsvergütungen, die neben den Zahlungen an Stadträte auch Leistungen für Ortschafts- und Stadtbezirksbeiräte beinhalten, auf 1,6 Millionen Euro.

Fraktionsgesschäftsstellen teilen sich 2,1 Millionen Euro

Dazu fließen aus dem Stadthaushalt noch weitere 2,1 Millionen Euro pro Jahr, um die Arbeit der aktuell sechs – künftig mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht wahrscheinlich sogar sieben – Stadtratsfraktionen zu finanzieren. Denn die Kommune stellt ihnen neben Räumlichkeiten im Rathaus auch Büro- und IT-Ausstattungen und übernimmt die Personalkosten der Fraktionsgeschäftsstellen. Den Umfang regeln die Fraktionen selbst in einer Vereinbarung mit dem Oberbürgermeister. So erhält jede Fraktion (Linke, Grüne, CDU, AfD, SPD und Freibeuter) pro Jahr einen Betrag von 1150 Euro je Fraktionsmitglied, dazu noch einen jährlichen Grundsockelbetrag in Höhe von 8000 Euro bei Fraktionen ab sieben Mitgliedern beziehungsweise 8500 Euro für kleinere Fraktionen.

Ihr Personal dürfen die Fraktionen – für die Bildung einer Fraktion sind mindestens vier Stadträte erforderlich – selbst einstellen. Die Mitarbeiter werden dann nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst aus dem Stadthaushalt bezahlt. Aktuell steht jeder Fraktion ein Geschäftsführer und ein Büroleiter in Vollzeit zu, in Abhängigkeit der Größe ab dem fünften Fraktionsmitglied noch weitere 0,25 Stellen pro Stadtrat. Das heißt, die neue BSW-Fraktion, die mit sieben Stadträten antreten wird, kann dann 2,75 Stellen besetzen.